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Meine beste Freundin hatte ein Baby in Anenzephalie

 

Sina und Max' Geschichte

07.08.03

Meine beste Freundin teilte mir vor fünf Monaten mit das sie schwanger sei und zwar von der großen Liebe ihre Jugend und Gegenwart. Ich, das bedeutet, mein Mann und meine drei Kinder, freuten uns grenzenlos, da auch der Mann meiner Freundin, der beste Freund meines Mannes ist.
Nun kam eins nach dem anderen: Beide haben sich aufgrund ihrer Altersklasse für diverse Vorsorgeuntersuchungen entschlossen. Erster Befund war eine Zwillingsschwangerschaft – Freude noch größer! Zweiter Befund war, dass ein Kind an Anenzephalie leidet.
Ich soll nun, so war es eh geplant, bei der Entbindung mit dabei sein.
Da sich meine Freundin mit dem "kranken" Kind seit Diagnosestellung nun überhaupt nicht mehr befasst möchte ich dies tun – auch wenn ich weiss, dass Sina keine überlebenschance hat. Mir bedeutet es sehr viel.
Ich hoffe ich habe mein Seelenkonflikt ausreichend schildern können.
Sabine


8.12.03

Im August diesen Jahres schilderte ich Ihnen die bewegende Situation meiner besten Freunde Kerstin und Marc. Eine langersehnte Schwangerschaft und dann noch Zwillinge. Leider stellte sich heraus, dass das Mädchen – Sina – Anenzephalie hatte. Ihre damals ausgesprochen bewegenden Worte, Ratschläge und Informationen gaben mir das Gefühl genau den richtigen Schritt getan zuhaben. Aus diesem Grund schreibe ich heute erneut. Es ist mir ein Herzenswunsch Ihnen den Ausgang unseres Erlebten mitzuteilen.

Unglaubliches liegt hinter uns, was nicht unbedingt Negatives bedeuten soll.

Von ärztlicher Seite her war ein Kaiserschnitt geplant, da Sina waagerecht unter Max lag und sich an dieser Situation auch nichts mehr änderte.
In der Nacht vom 30.11 zum 01.12 platzte Kerstin die Fruchtblase und entleerte sich so heftig bis zum Eintreffen des Notarztes, dass man Kerstins, bzw. die Lage der Kinder, im Krankenhaus als äußerst ernst ansah. Am meisten Angst machte uns die Vollnarkose – aber zum Glück ging alles gut!!!
Am 01.12.03 um 4.36 Uhr war es soweit: Sina kam auf die Welt und dann um 4.39 Uhr ihr gesunder Bruder Max–Ihno.
Als die Hebamme Marc und mir Sina brachte, brach sie zu unserem Erstaunen emotional fast zusammen. Ihre Worte waren kaum verständlich. Ich versuchte in die Situation einzulenken und sagte der Hebamme das "Alles" so wie es ist in Ordnung sei. Dieses Gefühl der überforderung, seitens des Personals ließ mich bis zum Verlassen des Kreissaals nicht mehr los. Eigentlich ein Zeichen dafür wie gut wir vorbereitet waren.

Dann auf einmal: Wir hörten Sina, ein unbeschreibliches Gefühl!!
Mein Gott, was haben wir uns gefreut.

Es folgten die wohl intensivsten eineinhalb Stunden unseres Lebens. Jede Sekunde, die Sina lebte sogen wir förmlich in uns auf. Sie war so ein hübsches Mädchen auf ihre ganz besondere Art. Ihre Ausstrahlung war faszinierend. Wir streichelten sie und "unterhielten" uns mit ihr. Fast glaubte man Sina würde jedes Wort verstehen. Sie sah so zufrieden aus!! Um 5.40 Uhr durfte Sina dann noch ihre Mutter kennen lernen. Kerstin war noch sehr benommen, nahm aber Sina sofort in den Arm küsste und streichelte sie, bevor sie wieder einschlief. Wir hielten einen Augenblick inne, dann nahm Marc seine Tochter wieder.

Um 6.00 Uhr war Sina dann nicht mehr bei uns.

Natürlich waren wir traurig und natürlich schmerzte es, aber die Gewissheit Sina "Alles" gegeben zu haben, was in der Zeit möglich war, war auch schon fast ein beruhigendes, positives Gefühl. Was in dem Moment zählte, war nicht die Trauer über den Tod, sondern das Gefühl mit Sina noch Zeit verbracht zu haben. Sie sah so zufrieden aus. Zu keiner Zeit hatten wir das Gefühl, sie hätte gelitten. Sie sah so zufrieden aus, das machte die Tatsache so erträglich.

Dank Ihnen, betroffenen Eltern und allen anderen, die an dieser Initiative mitwirken und diese unterstützen, war es uns möglich die Situation als etwas Besonders, ja Positives zu betrachten.

Jetzt steht schon fast die Entlassung von Kerstin und Max–Ihno an und Donnerstag wird Sina beigesetzt. Etwas aufgeregt bin ich schon, wie werden Kerstin und Marc reagieren? Keiner weiß es, aber ich werde da sein und vielleicht ein bisschen "auffangen" können und natürlich werde auch ich nochmals auf Sina treffen – emotional – aber es macht mir keine Angst.

Ich weiß ohne Ihre persönliche Initiative, hätte das Erlebte nie diesen Stellenwert in unser aller Leben erreicht!!!!!!!

Danke – für alles was sie getan haben und was sie tun werden

Sabine


10.12.03

Vorab, ich habe auch drei Kinder im Alter von fast zwei, fast fünf und fast sechzehn Jahren. Ich weiß wie anstrengend manche Phasen in der Entwicklung unserer Kinder sind. Aber wie gesagt es sind nur Phasen!!! Kinder zu haben ist auf dieser Welt das noch einzig wahre Abenteuer das existiert und das ist auch gut so – was hätte man sonst alles im Leben verpasst???!!!

Gerade habe ich mich Kerstin telefoniert und es geht ihr und Max sehr gut.

Das zu Hause sein ist etwas eigenartig aber es ist auch einen neue Situation in die aber Kerstin, Marc und Max sicherlich schnell reinwachsen werden. Ich glaube fest an die Drei.

Es wäre mir ein Herzensbedürfniss, Mitbetroffenen meine Erlebnisse zuschildern in der Hoffnung ein wenig helfen zu können!!

Sabine


14.12.03

Die Beerdigung war kurz und heftig – es waren nur Kerstin, Marc mein Mann und ich da. Kerstin hat so fürchterlich geweint, dass ich irgendwie das Gefühl hatte jetzt noch stärker als sonst sein zu müssen – was aber sicherlich total verkehrt war. Das wurde mir auch zu der Zeit bewusst, als wir das Grab verlassen hatten und ich mit diesem fürchterlichen "Trauerknoten", der nicht "geplatzt" war, vom Friedhof ging. Ich bin Stunden später nochmals zum Grab aber so wirklich gebracht hat das alles nichts. Ich glaube ich hab die einmalige Chance verpasst richtig zu trauern.

Sabine


4.7.04

Irgendwie habe ich immer nach abschließenden Worten gesucht. Klar ist, daß es keine abschließenden Worte gibt. Ich habe auch so gesehen nie Abschied von Sina genommen. Ich bin so oft bei ihr: Ob jetzt auf dem Friedhof oder in dem Moment wo ich mit Max zusammen bin. Sie lebt in meinem Herzen und in meinen Gedanken. Ich will das ganze Geschehene auch nicht abschließen – es wäre für mich gleich zusetzten mit : "Ich kann es vergessen."

Sina hat mir viel gegeben und ich kann es ihr leider nicht auf dieser Welt zurück geben – aber ich halte sie in meinem Herzen und versuche dieses auch an meine Familie weiter zugeben.

Sabine


Bericht der Mutter über Sina

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 27.02.2019