«In drei Minuten stirbt Ihr Baby»
Raphael Tim Losenegger kam am 17. Juni 2008 zur Welt. Das ist nicht selbstverständlich. Ärzte hatten eine Abtreibung nahegelegt. Und kurz nach der Geburt stellte man das Beatmungsgerät ab. Hier erzählen die Eltern die atemberaubende Geschichte ihres Sohnes.
Als Vanessa in der 24. Woche schwanger war, entdeckten die Ärzte bei
Raphael eine mögliche Fusion der Rippen links und eine ‚fetale
Kyphoskoliose‘ sowie Keil- und Fusionswirbel, das heisst, seine
Rippen auf der linken Seite seien angeblich zusammengewachsen und
seine Wirbelsäule gekrümmt und auch noch verdreht.
Darum schickten sie uns in die Klinik Balgrist,
wo man den Knochenbau des Kleinen besser sehen konnte. Das sollte
noch in der 24. Woche geschehen, damit wir unser Baby noch abtreiben
könnten. Die Ärzte hatten uns mit gewissen Bemerkungen
nahegelegt, denn wegen dem falschen Rippenbau würde er womöglich
nicht selber atmen können, weil die Lunge dann keinen Platz
hat.
Am Boden zerstört
Ein gewaltiger Schock. Vanessa: " Wir
waren am Boden zerstört. Wir entschlossen uns, dass wir unseren
Sohn so annehmen wollen wie er ist. Erst wenn es heissen würde,
dass er nicht selbständig atmen könne, würden wir den
Ärzten die Erlaubnis geben, die Beatmungsmaschine abzustellen,
weil das sonst kein Leben für unser Kind wäre. Entweder
schenkt ihm Gott das Leben, und dann kann er selber atmen, oder er
nimmt den Kleinen zu sich."
Tobias und Vanessa flehten in dieser Zeit sehr
viel zu Gott um Heilung. Vanessa: "Die
Situation beruhigte sich langsam, als wir im Internet eine
Professorin fanden, die schon ein paar Kinder mit fusionierten Rippen
erfolgreich operiert hatte. Auch für die krumme Wirbelsäule
gab es anscheinend Lösungen per Physiotherapie. Zudem hörten
wir von einigen Leuten Geschichten, wo sich Ärzte mit ihrer
Diagnose bei ungeborenen Kindern geirrt hatten. Wieso nicht auch bei
uns? Wir sahen Hoffnung. Sicher war der Fall nicht so schlimm und die
Lunge würde durchaus Platz finden."
Nach der Geburt: " Wo ist mein Sohn?"
"Ein paar Tage vor der Geburt hatten wir
ein Gespräch mit dem Chefarzt der Neonatologie, also der
Kinder-Intensivstation", schildert
Tobias. «Er versuchte uns zu beruhigen und meinte, das Kind
werde sehr wahrscheinlich selber atmen und mit Vanessa aufs
Wochenbett gehen können. Das nahm uns fürs erste die
Angst.»
Der Zeitpunkt der Geburt rückte heran.
Vanessa: "Tobias und ich freuten uns, unseren Kleinen, der schon
so viele Untersuchungen erdulden musste, endlich in die Arme nehmen
zu können. Ich hörte die Hebamme sagen: "Und
da ist er" , hörte allerdings kein Schreien.
Ich sah das Baby auch nicht. Plötzlich
bemerkte ich, dass das Kind und Tobias, der mich die ganze Zeit
liebevoll unterstützte, nicht mehr im Zimmer waren. Sie sind bei
der Untersuchung des Babys, hiess es. Also wartete ich darauf, dass
Tobias voller Stolz, mit dem Baby im Arm, ins Zimmer kommen würde.
Doch er kam nicht. In mir stieg der Gedanke hoch: Unserm Kind geht es
nicht gut. Ich wurde auf mein Zimmer gebracht."
An der Beatmungsmaschine
Vanessa durchlitt schwere Momente: " Da
lag ich nun, alleine und ohne Baby. Kein Mann, keine Gewissheit; nur
Müdigkeit, Fragen und Verzweiflung. Irgendwann tauchte Tobias
auf und sagte, das Kind sei an der Beatmungsmaschine angeschlossen.
Allerdings nur für kurze Zeit. Ich würde es sicher bald
besuchen können.
Nach dem Ausruhen wurde ich auf die
Neonatologie gebracht. "Da liegt Ihr
Sohn", meinte eine Pflegefachfrau und gratulierte Tobias und
mir. Wir sahen unseren Sohn voller Mitleid an. Ich wusste nicht, ob
ich lächeln oder weinen sollte. Er war so hilflos. Er sah
furchtbar aus mit all den Kabeln und Schläuchen.
Doch es würde bestimmt ein nicht allzu
schlimmer Grund sein, wieso er an der Maschine hängt. Bestimmt
würde er bald selbständig atmen können. Der Arzt hatte
uns doch so gut zugesprochen."
Arzt: "Zu 95 Prozent wird er nicht atmen!"
Am nächsten Tag folgte ein Gespräch
mit dem gleichen Arzt. Tobias erinnert sich: "Er
hatte nun die Aufgabe, uns allen Mut, den er uns mal gab, wieder
wegzunehmen. Nach dem Gespräch sassen Vanessa weinend und ich
verzweifelt auf unseren Stühlen. Nun wussten wir, dass unser
Kind so gut wie null Überlebenschance hatte.
Die Ärzte vermuteten, dass der kleine
Raphael nicht selber würde atmen können. Seine Luftröhre
sei dafür zu schwach. Zudem hatte sich sein linker Lungenflügel
wegen den fusionierten Rippen nicht richtig entfalten können.
Sie sagten, dass er zu 95 Prozent nicht atmen werde. So sassen wir
völlig hilflos da und erinnerten uns an das, was wir mal
abgemacht hatten: unser Baby sterben zu lassen, wenn es nicht ohne
Maschine atmen kann."
Nach drei Minuten der letzte Atemzug
"Als ich wieder in meinem Zimmer war,
betete ich noch mal für unseren Kleinen", sagt Vanessa.
"Ich wartete und wartete, doch nie kam die Nachricht, es würde
dem Kind besser gehen. Nach zwei Tagen beschlossen wir die Maschine
abzustellen. Das Kind sollte nicht länger leiden müssen.
Sämtliche Verwandte und die Gotte und der Götti
unseres Babys kamen, um sich von ihm zu verabschieden. Auch ein
bekannter Pastor von uns nahm sich Zeit, um das Kind zu segnen. Das
Krankenhaus bot uns genug Platz an. Es war schön eingerichtet,
auch mit einer Taufkerze. Raphael wurde mit Öl gesalbt, und wir
legten ihn in Gottes Hände.
Eine Pflegefachfrau nahm Raphael und legte ihn,
nachdem alle Schläuche weg waren, mit den Augen voller Tränen
in die Arme von Tobias. Auf seinen Wunsch hin sollte der kleine
Schatz in seinen Armen sterben. Nach etwa drei Minuten würde er,
wie die Ärzte sagten, seinen letzten Atemzug machen.
In mir kam, neben allen Gebeten, der Gedanke
auf, wieso Gott eigentlich Gnade walten sollte. Schliesslich hatten
Tobias und ich uns in der letzten Zeit sehr wenig um ihn gekümmert."
Er atmet doch
Tobias: "Voller
Trauer sahen wir den Kleinen an und warteten auf seinen Tod. Doch
nach Stunden atmete der Kleine immer noch!" Vanessa: " Wie
treuherzig und gnädig ist Gott. Er schenkte uns unseren Sohn ein
zweites Mal.
Nach ein paar Tagen durften wir Raphael nach
Hause nehmen. Er brauchte zwar noch Sauerstoff zur Unterstützung,
aber er durfte heim. In der Zwischenzeit braucht unser Sohn auch den
Sauerstoff nicht mehr und atmet einwandfrei."
Ein Kämpfer
Vanessa und Tobias sind berührt: "Es
berührte uns zutiefst, zu erfahren, wie viele Menschen, ja ganze
Gemeinden, für unseren Sohn beteten. Der Zusammenhalt war
grandios und überwältigend! Für die Ärzte ist der
Kleine einfach ‚ein Kämpfer‘ mit einem grossen
Willen zu leben. Anders können sie sich sein Überleben
nicht erklären.
Für uns ist es ein grosses Wunder aus
Gottes Gnade. Deshalb entschieden wir uns für den Namen Raphael
– "Gott heilt". So sehen
wir nun unseren Raphael heranwachsen und sind Gott jeden Tag von
neuem dankbar für sein Geschenk.
Es werden noch viele Hürden vor Raphael
und uns stehen, viele Operationen vielleicht. Aber wir wissen, dass
Raphael in Gottes Händen ist und Er an seiner und auch an
unserer Seite steht."
Autor: Aufgezeichnet von Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 03.03.2020