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Kate

 

23.10.2000 - 24.10.2000

Im Mai 2000 fanden mein Freund Alex und ich heraus, dass ich in der 5. Woche schwanger mit unserem 2. Kind war. Unsere Tochter Faith war erst 10 Monate alt. Ich war erst 15 Jahre alt und zu Tode erschrocken. Ich bedauerte sofort diese sexuelle Beziehung angefangen zu haben und war überhaupt nicht erfreut über diese neue Schwangerschaft. Alex war glücklicher als ich, aber er war 18 Jahre alt und hatte eine Arbeit. Ich war arbeitslos und erst 15. Ich begann depressiv zu werden und mich mit Selbstmordgedanken zu beschäftigen. Ich wusste, dass meine Eltern sehr wütend auf mich sein würden, war mir aber nicht sicher, wie sie reagieren würden.

Als ich in der 8. Woche zum ersten Mal zur Gynäkologin ging, konnte man einen feinen Herzschlag hören. Da er nicht sehr stark war, wurde ein Ultraschall gemacht. Als sich die Ärztin den Fetus anschaute, erklärte sie mir dass sie gerne ein paar andere Tests machen würde. Ich wusste nicht was los war mit meinem Baby, aber es war mir eigentlich egal. Zu diesem Zeitpunkt kümmerte ich mich noch nicht um den Zustand meines Babys.

In der 10. Schwangerschaftswoche wurde ein AFP-Test gemacht, die Resultate würden ca. in der 12. Woche vorliegen.

Als ich endlich den Mut aufbrachte, alles meiner Mutter zu erzählen, wurde sie sehr wütend. Sie schrie mich an, beschimpfte mich, sagte mir wie dumm ich sei. So nahm ich Faith und zog zu Alex.

Während den 2 Wochen, in denen ich auf die Testresultate wartete, realisierte ich langsam, dass dieses Baby, obwohl es nicht geplant war, trotz allem mein Kind war und ich es liebte. Ich begann mir Sorgen um seine Gesundheit zu machen. Alex und ich waren uns einig, dass wir auch für ein 2. Kind sorgen könnten. Es würde zwar ziemlich schwierig werden und knapp mit dem Geld, aber wir würden es schaffen. Kein Baby verdient es zu sterben, nur weil seine Eltern Schwierigkeiten haben.

Meine Mutter redete noch immer nicht mit mir, so fragte ich Alex' Mutter Annie ob sie mit uns kommen würde, um die Testresultate abzuholen. Annie war zwar enttäuscht von uns, dass wir schon unser 2. Kind erwarteten, aber da sie selber als Teenager mehrere Kinder bekommen hatte, konnte sie schlecht wütend auf uns sein. Sie unterstützte uns einfach und versprach, uns zu helfen.

Die Ärztin machte einen weiteren Ultraschall um ihren Verdacht der ersten Untersuchung zu bestätigen. Ich griff nach Alex und Annies Händen und sass dort. Sie sagte: "Es tut mir leid, ich habe schlechte Nachrichten." Mir wurde es schlecht und es lief mir kalt den Rücken herunter. "Ihr Baby hat einen Neuralrohrdefekt, den man Anenzephalie nennt." Ich hatte keine Ahnung was dieser Ausdruck bedeutete, aber die Art, wie sie es gesagt hatte, machte mich fast verrückt. Annie fragte sie, was Anenzephalie war und die ärztin antwortete: "Es ist ähnlich wie Spina Bifida, ausser das es das Hirn betrifft. Der Schädelknochen schliesst sich nicht wie normal und das Hirn liegt frei." Ich sass dort und nahm alles auf, was sie uns mitteilte. Alex fragte, ob das Baby sterben würde, sie sagte "Ja" und verliess den Raum.

Ich sass dort wie betäubt, Annie weinte... Alex nahm mich einfach in seine Arme. Ich glaube, dass ich das Ganze erst richtig zu wahrgenommen begann, als die Ärztin zurückkam und fragte ob ich das Geschlecht des Kindes kennen wolle. Ich bejahte und sie antwortete: "Sie erwarten ein Mädchen."

Dann schaute sie auf meine Krankentabelle und sagte: "Schauen wir uns Ihre Möglichkeiten an. Eine Abtreibung wäre die beste Alternative für Sie. Wir können die Geburt aber auch später jederzeit einleiten, in einem Monat oder so. Oder Sie können das Baby bis zum Geburtstermin austragen. Aber wenn Sie es austragen, würden Sie sich zu sehr ans Baby binden, deshalb empfehle ich Ihnen die Abtreibung. Lassen Sie mich wissen, wann sie einen Termin vereinbaren möchten."

Diese Ärztin war für mich die unsensibelste Person, der ich je begegnet war. Sie hatte kein Recht so grob mit mir umzugehen, nur weil ich jung war.

Ich ging nach Hause und dachte über das Gesagte nach. Nach mehreren Tagen überlegungszeit, vielen Gesprächen mit Alex und Nachforschungen über Anenzephalie, entschloss ich mich, zu versuchen, das Baby bis zum Geburtstermin auszutragen. Wir hatten uns auch entschieden, dem Baby einen Namen zu geben, damit schon während der Schwangerschaft ein Band zwischen uns entstehen konnte, bevor sie uns verlassen würde.

Wir nannten unsere Tochter Kate Madeleine. Kate nach meiner besten Freundin Katie (Katherine) und Madeleine, weil dieser Name beiden gefiel.

Als ich diese ganze Anenzephaliegeschichte begriff, begann ich depressiv zu werden. Ich wollte einfach nur mein Baby. Alex und ich hatten bereits geplant, wie wir es mit zwei Kindern schaffen würden. Er hätte mit dem Studium aufgehört und 2 Jobs gesucht, und ich hätte versucht Heimarbeit zu machen. Er arbeitete schon jetzt an 2 Jobs und das brachte viel Stress mit sich, weil er nie da war und ich Angst hatte, alleine mit meinem Baby in diesem Haus zu sein. So zog jeder von uns wieder zurück zu seinen Eltern. Meine Mutter redete noch immer nicht mit mir, aber sie erlaubte mir trotz allem wieder nach Hause zu kommen, was wirklich gut war.

Wenn ich kein Anenzephalie-Baby gehabt hätte, hätten sie mir eine Cerclage angelegt, um die zu frühe Öffnung des Muttermundes und so eine Frühgeburt zu vermeiden. Aber weil Kate ja eh nicht leben würde, befanden sie das nicht für nötig. Dies war sehr schwer für mich.

Ich wurde immer depressiver. Das Leben war so hart, meine Tochter Faith wuchs in das Alter, wo Babies alles auseinandernehmen, ich fühle mich einfach überfordert!! Die ärzte setzten meinen Termin einen Monat vor, auf den 11. Dezember. Das war schwer für mich. Ich wollte meine kleine Kate soo sehr, wusste aber, dass dies nicht möglich sein würde. So versuchte ich einfach, die verbleibende Zeit mit ihr auszukosten. Es war hart zu wissen, dass ich nur noch wenige Monate mir ihr haben würde. Das Risiko einer Frühgeburt war wegen meiner Vorgeschichte gross.

Mein Freund wurde viel einfühlsamer und sensibler mir gegenüber, vorher wollte er nicht einmal darüber sprechen, er wechselte immer das Thema. Ich war wirklich dankbar dafür, dass er für mich da war, weil ich eine sehr schwierige Phase durchlief. Ich hoffte, alles durchstehen zu können. Manchmal mochte ich morgens nicht aufstehen um einen neuen Tag erleben zu müssen. So brachte ich einen Tag nach dem anderen hinter mich. Ich konnte ja meine Tochter Faith nicht einfach sich selbst überlassen, sie brauchte mich. Ich verstand nicht, weshalb dies mir geschehen musste. Ich hatte ja bereits Faith's Zwillingsschwester Hope verloren. Das war nicht gerecht!!

Kate Madeleine wurde 6 Wochen zu früh am 23. Oktober 2000 um 2:43 Uhr geboren. Sie war 1,470 kg schwer und 43cm lang! Sie hatte eine leichte Form von Anenzephalie. Ihr Schädel war normal geformt ausser dem geldstückgrossen Loch, da, wo die Fontanelle hätte sein sollen. Kate lebte während 23 Stunden und verliess uns am 24. Oktober 2000 um 12:21 Uhr.

Wir vermissen und lieben sie sehr.

Kacie

 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 23.02.2019